15. Stock, Kulla


Aufstehen, Kaffeemaschine einschalten, erste Zigarette. Der Blick nach draußen ist deprimierend. Der Himmel eine einzige graue Fläche. Mir schießt das Wort Betonbunker in den Kopf. Dann will ich auch keine Nachrichten sehen...


Ich starte den kleinen PC. Der ist nur für meine Musik zuständig. Die zugehörige Anlage schalte ich auch gleich scharf. Playliste 8 enthält ausschließlich Songs von Pink Floyd. Genau richtig jetzt. Während die Liste lädt schließe ich die Vorhänge. Grau kann draußen bleiben.

Pink Floyds - One Of These Days startet mit tiefem Bass und Windgeräuschen. Irgendwie passend gerade.


Die Kaffeemaschine spuckt noch vor sich hin. Ich setze mich auf die Couch und tippe nur einmal meine Kulla an. Ein Geschenk von einem lieben Bekannten. Kulla ist eine schwarze Tischlampe, ganz aus Metall. Sie hat drei Stufen zum Schalten. Erste Stufe, einmal Tippen, sehr gedämmtes Licht, Stufe drei, so hell wie die Glühbirne eben ist. Stufe zwei habe ich glaube ich noch nie benutzt. Ich liebe diese Lampe. Danke dafür lieber Strick.


Pink Floyd nimmt Fahrt auf. Ich noch nicht. Graue Tage bremsen mich meistens. Heut' auch. Ein ganz bestimmter Zischlaut sagt mir, Kaffee fertig gerotzt. Ich trolle mich in die Küche. Die Tasse steht schon bereit. Wie meinst steht sie falsch. Henkel nach vorne, seitlich der Maschine. Eigentlich müsste sie vor der Maschine stehen, mit dem Henkel nach rechts. Egal. Der restliche Kaffee kommt in die Thermoskanne. Noch zwei Löffel Zucker, nur morgens gönne ich mir so viel Sünde, dann zurück zu Kulla und Pink Floyd.


David Gilmore leistet bereits ganze Arbeit. Während er seiner Gitarre so einiges abverlangt, der erste Schluck. Die blaue Dose starrt mich mahnend förmlich an. Scheiße, stimmt! Als erste Nahrung des Tages muss ich ja diese gottverschissene Tablette nehmen, damit das Herzerl weiter seinen Dienst versieht. Wie kann so ein winziges Ding nur so grandios abscheulich schmecken? Schnell nachspülen.


Gilmore bringt mich wieder zum Erinnern an die Zeit als sie jetzt eigentlich vor mir kniete, nackt bis auf das Halsband, ein Tablett in Händen mit dem Kaffee und, wäre sie noch da, eben mit dieser doofen Tablette. Wobei, sie hätte diese bestimmt irgendwie nett verpackt. Vielleicht in so einer Pralinenmanschette aus Papier, oder auf einem winzigen, extra für mich gemachten Samtkissen. Ganz sicher in Rot...


Mittlerweile zünde ich mir die zweite Zigarette an. Ich sollte das wieder reduzieren... Aber mit meinem Alter? Was kann ich da noch kaputt machen, was nicht sowieso schon hin ist...


Shine On You Crazy Diamond ist jetzt aber auch nicht sonderlich hilfreich. Mein Blick wandert zum Schreibtisch. Jaaa, ich weiß! Ich muss diese Geschichte noch fertig schreiben! Scheiß Unterbewusstsein. Gleich, nachher. Nach der dritten Tasse. Irgendetwas wird mir schon einfallen. Ich könnte ja mal hierfür persönliche Erinnerungen verwenden...? Nee, kommt nicht in Frage! Die bleiben bei mir- uns.


Heute ist Donnerstag. Ich muss meinen Oleander wieder Gießen. Den Dünger dazu darf ich auch nicht vergessen! Aber ohne Pralinenmanschette... Ich tippe zweimal schnell an der Kulla. Jetzt ist es hell.


Money schreit es zeitgleich aus den Boxen und schaltet mich so ins Jetzt. Ich mag meine Kulla. Danke Strick...


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