15. Stock, Platzwechsel


Nach einer langen Nacht wache ich viel zu früh auf. Ist mir noch nie passiert dass mich ein Lied im Traum aufweckt! Gut, es geistert mir ja schon seit einigen Tagen im Kopf herum, aber jetzt auch noch während des Schlafens? Weiß nicht ob ich mich jetzt ärgern soll oder nicht.

Ich stehe ein bisschen genervt auf. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken. Während der erste Kaffee durchläuft, ziehe ich besagtes Lied vom Server. Vielleicht hilft ja das es endlich aus'm Kopp zu kriegen. - Natürlich nicht! Ganz im Gegenteil! Mist. Sowas nervt mich. Räumt es doch andere Dinge weg die jetzt eigentlich Vorrang hätten. Blöd, Saublöd...


Mit weniger harmonischen Tönen meldet sich die Kaffeemaschine. Fertig. Tasse füllen, den Rest in die Thermoskanne. Mit Zigarette und Tasse auf den Balkon. Mal nachsehen ob noch alles steht. Was für ein blöder Spruch! Klar steht noch alles, andernfalls wäre ich bestimmt aus dem Bett gefallen.


Während ich hinüber zur Nidda sehe, meldet sich das Lied im Kopf wieder. Okay, jetzt passt es ja einigermaßen. Radio im Kopf. Ich grinse noch halb verschlafen vor mich hin. Entlang der Nidda ein Radweg mit einem einsamen Radler. Unweigerlich muss ich an Frank denken. Ob er wohl gerade jetzt unterwegs ist? Man hat zu wenig Kontakt, aber ich versteh's. Bin ja nicht anders...


Der Refrain des Liedes ist in einer Endlosschleife. Ich schau nach rechts und registriere dass in meiner Nebenstraße Parkplätze frei sind. Ich sollte jetzt das Auto herholen und dort Parken. Nachts, wenn ich nach Hause komme, sind da nie welche frei. Gut, nach dem Kaffee...


Anziehen, keine Schlüssel vergessen und raus aus der Wohnung. Hoffentlich begegnet mir keiner im Aufzug. Ich mag keine mir fremden Menschen "Guten Tag" wünschen weil es sowieso nicht ernst gemeint ist. Meistens wenigstens.


Während ich fünfzig Meter nach unten transportiert werde denke ich an sie. Der Frau von Gegenüber. Ob sie noch schläft? Ist ihr gestern auch nichts passiert? Sie ist immer so leichtsinnig. Toll! Jetzt sind es schon zwei Dinge in der Endlosschleife! Ich sollte wirklich erst nach dem dritten Kaffee aktiv werden...


Endlich am Auto angekommen. Erster Blick zu dem Scheibenwischer. Gut. Kein Ticket. Ich parke zwar immer korrekt, aber manchmal bin ich mir nicht so sicher. Automatische Renitenz zum Schilderwald.

 

Mein zweiter Blick fällt auf das Autodach. War ja klar. Mehrere Pflatschen in schwarz- weiß, auf blauem Grund. Taubenkacke. Ich hasse diese Viecher aus tiefster Seele! Toll die Seitenscheibe hat auch zwei Treffer abbekommen. Scheiße!


Die Straße ein Stück herunter und dann im Wendehammer, was für ein Wort, umdrehen. Wie immer protzige Geländewagen im Halteverbot. Nix ist mit einfachem Wenden. Hätte ich genug Kohle, würde ich jedem dieser Karren ganz gepflegt in die Seite fahren und dann grinsend warten, bis der jeweilige Besitzer, mit halben Herzinfarkt, zu seiner Mühle japst. Ich frage mich schon ernsthaft warum die nie vollgeschissen sind. Vielleicht sammeln die die ja im Hirn? Dem Parkverhalten nach sieht es jedenfalls so aus.


Endlich in "meiner" Nebenstraße. Guter Parkplatz auch noch. Der nächste Baum ist mindestens fünf Meter weit weg. Perfekt! Noch die Antenne abschrauben. Sicher ist sicher. Während ich sie in den Kofferraum lege denke ich wieder an die Frau von gegenüber. Ein paar Sekunden wiege ich sinnierend den Stab in der Hand. Ein schönes Teil aus Stahl... Das Kopfkino meldet sich sofort. Weg damit! Dann doch lieber wieder das Lied zulassen.


Fünfzig Meter nach oben, ohne mitreisende. Gut. Ausziehen, Hausmantel an, zweiter Kaffee, das Lied begleitet mich noch immer an den Schreibtisch. Ich schau von dort rüber zum anderen Haus. Sicher liegt sie jetzt noch eingerollt wie ein Kätzchen im Bett...


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