Meister Eckard Reden der Unterweisung, gehalten um 1290 in Erfurt "
*** Vom wahren Gehorsam ****
Wahrer und vollkommener Gehorsam ist eine Tugend vor allen Tugenden, und kein noch so großes Werk kann geschehen oder getan werden ohne diese Tugend; wie klein andererseits ein Werk sei und wie gering, es ist nützer getan in wahrem Gehorsam... Nimm wiederum ein Tun, so geringwertig du nur willst, es sei, was es auch sei: wahrer Gehorsam macht es dir edel und besser. Gehorsam wirkt allwegs das Allerbeste in allen Dingen. Fürwahr, der Gehorsam stört nie und behindert nicht, was einer auch tut, bei nichts, was aus wahrem Gehorsam kommt, der denn versäumt nichts Gutes. Gehorsam braucht sich nimmer zu sorgen, es gebricht ihm an keinem Gute.
Wo der Mensch in Gehorsam aus seinem Ich herausgeht und sich des Seinen entschlägt, ebenda muss der Herr notgedrungen wiederum eingehen; denn wenn einer für sich selbst nichts will, für den muss der Herr in gleicher Weise wollen wie für sich selbst. Wenn ich mich meines Willens entäußert habe in die Hand meines Oberen und für mich selbst nichts will, so muss der Herr darum für mich wollen und versäumt er etwas für mich darin, so versäumt er es zugleich für sich selbst. So steht in allen Dingen: Wo ich nichts für mich will, da will Herr für mich. Nun gib acht! Was will er denn für mich, wenn ich nichts für mich will ? Darin wo ich von meinem Ich lasse, das muss er für mich notwendig all das wollen was er für sich selbst will, nicht weniger noch mehr, und in derselben Weise, mit der er für sich will. Und täte der Herr das nicht - bei der Wahrheit, die der Herr ist, so wäre der Herr nicht gerecht, noch wäre er der Herr, was doch sein natürliches Sein ist.
Im wahren Gehorsam darf kein "Ich will so oder so" oder "dies oder das" gefunden werden, sondern nur vollkommenes Aufgeben des Deinen. Und darum soll es im allerbesten Gebet, das der Mensch beten kann, kein "Gib mir diese Tugend oder diese Weise" noch" Ja, Herr, gib mir dich selbst oder ewiges Leben" heißen, sondern nur" Herr gib mir nichts, als was du willst , und tue, Herr, was und wie du willst in jeder Weise!"
Dies übertrifft das erste Gebet wie der Himmel die Erde; und wenn man das Gebet so verrichtet, so hat man wohl gebetet; und wenn man in wahrem Gehorsam aus seinem Ich ausgegangen ist in Herr hinein. Und so wie wahrer Gehorsam kein "ich will so" kennen soll, so soll auch niemals von ihm vernommen werden "Ich will nicht"; denn "Ich will nicht" ist wahres Gift für jeden Gehorsam. Denn wie Sankt Augustin sagt: "Dem getreuen Diener des Herrn gelüstet es nicht, das man ihm sagt oder gebe, was er gern hörte oder sähe; denn sein erstes, höchstes Bestreben ist zu hören, was dem Herrn am allermeisten gefällt."
(Im Original steht an Stelle "Herr", das Wort "Gott", Netzfundstück, Verfasser unbekannt)